Caffè al banco: Unsere Gegenvorschlag zu Kaffee im Gehen

An kleinen und grossen Tischen im Kaffeehaus flüstert uns das Universum zu. Doch das futuristische Manifest von Tommaso Marinetti von 1909 spricht von einem Land, das mächtig, stark und vor allem schnell sein soll. So klang in Italien die Vorstellung des Schriftstellers und faschistischen Politikers für eine produktive Nation. Geschwindigkeit und Kaffeehaus passen aber nicht zusammen. Man kommt, konsumiert, geht. Der Espresso darf nicht abkühlen.

Die Effizienz der achtlosen Gleichzeitigkeit funktioniert in der Gegenwart mittlerweile im Pappbecher. Doch Kaffee im Karton ist wie Techno auf dem Sofa. Schnelles Koffein im Stehen statt im Gehen macht uns darum erst zu aufrechten Menschen. Angekommen am unverbindlichen Bindeglied zwischen Barista und Gast. Und schon fast wieder weg. Zeitloser Augenblick. Momentaufnahme des täglichen Lebens. Schnell wie ein Wimpernschlag, der ein Leben lang dauern kann. So hat uns die Öffentlichkeit wieder. Spätestens nach den Corona-Massnahmen sind wir uns über den Wert dieser Leichtigkeit wieder bewusst geworden.

Wer doch etwas mehr Zeit findet, schlägt rasch die Zeitung auf, wenn auch jederzeit bereit zu gehen, erhascht dabei die Wünsche und Träume der anderen zufällig aufgereihten Gäste, stützt sich auf den Marmor auf und erörtert die Abgründe dieser Welt oder bleibt für sich. Die Baristi auf der anderen Seite des weissen Steins mit seinen Adern extrahieren nicht nur die koffeinhaltige schwarze Insel des Alltags, sie kennen auch all diese Welten ihrer Kaffeehaus-Familie.

«Caffè al banco» muss günstiger sein als im Sitzen, und auch als Kaffee im faden Karton. Das ist die Demokratisierung des öffentlichen, gemeinsamen Raums statt mehr Individualisierung. An der «sbarra», der Fussstange der Theke und Namensgeberin der «Bar» sind wir auf dem Sprung und gleichzeitig aufgehoben in der Stadt. Auch so duftet bei uns der kleine Schluck Kaffee mit Haltung.